Geduld - eine seltene Tugend in unserer Zeit
Geduld ist eine Tugend, die in unserer hektischen Zeit manchmal auf
der Strecke bleibt. Am besten alles bekommen und das sofort. Wir
sind das Warten nicht mehr gewohnt. Auch deshalb, weil durch die
heutigen Technologien und der daraus resultierenden ständigen
Erreichbarkeit und Mobilität Wartezeiten auf ein Minimum reduziert
werden können.
Aber Wartezeiten können durchaus ihren Sinn haben. Dazu heute eine
Kurzgeschichte von Heinrich Spoerl (dt. Schriftsteller, 1887 - 1955).
Zwar wurde sie von Spoerl schon vor längerer Zeit geschrieben, aber
sie hat nichts an Aktualität verloren – im Gegenteil:
Es war einmal ein junger Bauer, der wollte seine Liebste treffen. Er
war ein ungeduldiger Geselle und viel früher zum Treffpunkt
gekommen. Er verstand sich schlecht aufs Warten. Er sah nicht den
Sonnenschein, nicht den Frühling und die Pracht der Blumen.
Ungeduldig warf er sich unter einen Baum und haderte mit sich und
der Welt.
Da stand plötzlich ein graues Männlein vor ihm und sagte: „Ich weiß,
wo dich der Schuh drückt. Nimm diesen Knopf und nähe ihn an deine
Jacke. Und wenn du auf etwas wartest und dir die Zeit zu langsam
geht, dann brauchst du nur den Knopf nach rechts zu drehen, und du
springst über die Zeit hinweg bis dahin, wo du willst.“
Der junge Bauer nahm den Zauberknopf und drehte. Und schon stand die
Liebste vor ihm und lachte ihn an. Er drehte abermals und saß mit
ihr beim Hochzeitsschmaus. Da sah er seiner jungen Frau in die
Augen:
„Wenn wir doch schon allein wären...“
„Wenn unser neues Haus fertig wäre...“
Und er drehte immer wieder. Jetzt fehlten noch die Kinder und er
drehte schnell am Knopf. Dann kam ihm neues in den Sinn und er
konnte es nicht erwarten. Und drehte, drehte, dass das Leben an ihm
vorbeisprang, und ehe er sich’s versah, war er ein alter Mann und
lag auf dem Sterbebett.
Er merkte, dass er schlecht gewirtschaftet hatte. Nun, da sein Leben
verrauscht war, erkannte er, dass auch das Warten des Lebens wert
ist. Und er wünschte sich die Zeit zurück.
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